Zum Hauptinhalt springen

Modell- oder Partnerwechsel?


In der Verliebtheit fällt es leicht zu glauben, den Einzigen gefunden zu haben, der nicht nur unsere Wünsche und Lebensziele teilt, sondern auch all unsere Bedürfnisse befriedigt. Ein besonderer Glückshormon-Cocktail erzeugt diese „rosarote Brille“. Erst mit der Zeit, vor allem mit zunehmendem Alltagsstress, entdecken wir die Macken, Eigenarten und Begrenzungen des Partners. Ein allmählich fortschreitender Prozess der Desillusionierung beginnt. Aus dem erwünschten Ideal-Partner wird im Laufe der Beziehung der entdeckte Real-Partner. Daher kommt kein Paar an der Frage vorbei, wie in einer Partnerschaft unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen miteinander zu vereinbaren sind. Konflikte darüber sind unvermeidlich. Bei manchem wird ein Kompromiss gefunden, mit dem beide leben können. Bei anderem liegen Interessen und Vorlieben einfach zu weit auseinander.

Doch unabhängig von diesen individuellen Bedürfniskonflikten eines Paares existiert noch ein genereller: Die meisten Menschen suchen in einer Partnerschaft sowohl Geborgenheit und Sicherheit als auch Aufregung und Abenteuer. Die wenigsten jedoch machen sich klar, wie schwer beides zugleich zu haben ist. Es ist wohl auch eine Frage der persönlichen Prioritäten, wie stark sich das Fehlende auf die Zufriedenheit auswirkt.

Denjenigen, die vor allem Stabilität in ihrem Leben brauchen, ist Sicherheit in der Regel wichtiger als Abenteuer. Demgegenüber fällt Verzicht auf den Reiz des Neuen und Unbekannten schwer, wenn sich Stabilität wie Stagnation anfühlt. Dann steigt die Neigung, den Partner dafür verantwortlich zu machen, nicht beides in einer Beziehung vereinbaren zu können. Fehlende Gemeinsamkeiten, schlechte Kommunikation, mangelnde Sensibilität und einiges mehr liefern passende Argumente für das Gefühl, einfach nicht zueinander zu passen. Der Fokus verengt sich immer mehr auf die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Und wir haben gelernt (nicht zuletzt durch romantische Liebesfilme) dies dem Partner anzulasten, und nicht dem Beziehungsmodell.

Wenn wir für die Konflikte aus den widersprüchlichen Wünschen jedoch nicht den verantwortlich machen, der der einst Auserwählte war, ergibt sich eine andere Sichtweise. Dann ändert ein anderer Partner nämlich nichts am Widerspruch. Und damit kann die Akzeptanz wachsen, was nur schwer miteinander vereinbar ist, und die Verständigung erleichtern, was beide Partner wirklich wollen. Welche Bedürfnisse und Sehnsüchte in ihnen nach Wahrnehmung und Erfüllung verlangen. Und welchen Preis sie bereit sind zu zahlen, um diese entweder zu befriedigen oder den Verzicht zu bejahen. Aus der Unzufriedenheit des Einzelnen kann ein gemeinsames Problem und damit auch eine gemeinsame Suche nach Lösungen werden. Auch nach unkonventionellen.

Manchmal denkt man, es sei stark festzuhalten. Doch wahre Stärke zeigt man oft erst im Loslassen!