Unterschiedliche Bedürfnisse nach Sex und Zärtlichkeit
Zu Recht wehren sich Frauen und Männer zunehmend dagegen in geschlechtsspezifische Rollenbilder gedrängt und mit überalterten Klischees konfrontiert zu werden. Es gibt jedoch Vorlieben und Präferenzen, die signifikant häufiger einem Geschlecht zugeordnet werden können als dem anderen. Dazu gehört auch, welche Priorität einerseits Sex, andererseits Zärtlichkeit im partnerschaftlichen Miteinander haben, welchen Raum sie im jeweiligen Bedürfnis nach körperlicher Nähe einnehmen.
Bei den meisten Paaren fühlt sich am Anfang der Beziehung die Mischung aus sexueller Begierde und zärtlicher Vertrautheit noch für beide Partner stimmig an. Alle Ausdruckformen körperlicher Zuneigung genießen in dieser Phase einen hohen Stellenwert. Das Zugehörigkeitsgefühl wächst, indem wir uns auf die Impulse des anderen einlassen. Im Laufe der Jahre hingegen gewinnt bei vielen Männern der Sex an Bedeutung, bei vielen Frauen die Zärtlichkeit. Dabei spielt eine wichtige Rolle, welche Art des Körperkontakts zu Entspannung, Abschalten, Runterkommen verhilft, was jeweils als Gegengewicht zum Alltagsstress präferiert wird.
Leider ist es oft so, dass gestresste Männer sich immer weniger Zeit für die zärtliche Einstimmung auf eine sexuelle Begegnung nehmen. Damit missachten sie das bei vielen Frauen bestehende Bedürfnis nach einer über den Sex hinausgehenden Intimität. Gespräche, mit denen Frauen zunächst Stress abbauen, spielen dabei ebenso eine Rolle wie das Gefühl, umworben oder verführt zu werden. Werden diesbezügliche Erwartungen immer wieder enttäuscht, schwindet ihr Bedürfnis zunehmend, sexuelle Lust mit ihrem Partner zu teilen. Oft entwickelt sich ein Wechselspiel, bei dem die Rahmenbedingungen, die für die Frau stimmen müssen, zunehmen, während die Bemühungen des Mannes nachlassen. Anders gesagt: Je mehr sich sein Bedürfnis nach Sex verengt, desto größer wird ihr Bedürfnis nach Zärtlichkeit. Am Ende der Spirale sind beide meist davon überzeugt, es dem anderen niemals recht machen zu können.
Krise ist ein produktiver Zustand!
Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.
(Max Frisch)